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Archiv 2002: Neues Jahr - neue Sperrungen
Viele neue Verbote im Zschand
Das Jahr 2002 ist angebrochen und damit wurde nun die
- von den Beteiligten als guter Kompromiß dargestellte -
Bergsportkonzeption im Großen Zschand [1] wirksam.
7 von 87 Klettergipfeln sind hier ab sofort total gesperrt, an einer großen Zahl
weiterer Gipfel gibt es Einschränkungen.
Auch wenn es sich zumeist um "Quacken" handelt (da fällt es weniger auf, wenn
auch mal ein größerer Gipfel dabei ist) - der Prozeß der Aussperrung
des Menschen aus der Natur hat unübersehbar an Fahrt gewonnen,
und es ist bereits weit mehr als der berühmte "kleine Finger",
der von den Naturfreunden, Wanderern und Kletterern gereicht worden ist.
Und weitere Maßnahmen, wie die mögliche Sperrung des Grenzweges,
stehen noch bevor.
Übrigens ließ es sich auch hier die Nationalparkverwaltung zum
wiederholten Male nicht nehmen, wissentlich falsche Aussagen zum Thema
zu verbreiten, siehe [2].
Zu Weihnachten lag der neue Kletterführer "Großer Zschand" unterm
Weihnachtsbaum und die Feiertage gaben Zeit zum Blättern.
Wie sieht zum Beispiel die Übersichtskarte Richterschlüchte und Weberschlüchte
jetzt aus ?
Es ist vor allem der kleine Kreis mit dem Kreuz drin, der nun allerorts das Begehen
von Wegen und Pfaden untersagt.
Allein auf der genannten Karte habe ich 17 Kreuze gezählt.
Im Herbst 2001 waren wir selbst vor Ort, Anreiz war - wie offensichtlich bei vielen
Kletterern - die Besteigung von demnächst gesperrten Gipfeln.
Was wir aber speziell in Schwarze Schlüchte und Adlerloch vorfanden,
hatten wir nicht erwartet:
Soweit wir jemals in dieser Gegend unterwegs waren, haben wir Gipfel - wenn überhaupt -
nur mühsam gefunden; irgendwo haben wir uns in den Partschenhörnern immer
verlaufen.
Die durch Wildwechsel entstandenen Spuren waren zumeist stärker ausgeprägt als
die Kletterpfade.
Diesmal das ganze Gegenteil.
Breit ausgetretene Zugänge führten von Gipfel zu Gipfel, verlaufen hätten wir uns
hier beim besten Willen nicht mehr können.
Es wird nun wohl ein ganz paar Jahre dauern, ehe die Schäden verschwunden sind und
alles wieder so aussieht wie vor der Ankündigung der Sperrungen.
Die Eintragungen ins Gipfelbuch belegten dies:
Im Jahr 2001 gab es so viele Begehungen wie in den vorhergehenden 10-20 Jahren zusammengenommen.
Das ist doch logisch, wird sich der geneigte Leser sagen; jeder Gipfelsammler will sein
Heu noch einfahren.
Aber betrachten wir die Alternative:
Alles wäre so geblieben wie bisher; über den Zeitraum eines Jahres
hätte sich vielleicht eine Handvoll Quackensammler in diese Gegend verirrt.
Die Pfade und Zustiege zu den Gipfeln wären weiterhin zugewuchert und kaum erkennbar,
obendrein hätte der Trend der ständig sinkenden Begehungen von entlegenen
Gipfeln angehalten.
Nur ein Beispiel:
Die Begehungszahlen des nun gesperrten Schwarzschlüchteturms sanken von etwa 270
(Anfang der 60er Jahre) auf etwa 25 (Mitte der 90er Jahre) [3] !
Das ist ein Rückgang auf weniger als 10% !
Auch die These von der Störung von Wildtieren ist ja inzwischen widerlegt,
insbesondere bei derart vereinzelten Zusammentreffen wie in den entlegenen Schlüchten
des Zschandes.
Ich bin mir sicher, ein einziger Bonzen-Rundflug über der Sächsischen Schweiz
ist unerträglicher als alle Kletterbegehungen in den nun gesperrten Schlüchten
zusammengerechnet.
Was bleibt ?
Zuerst die Frage, ob es der Aufwand und das Engagement wert gewesen ist und die
Bergsportkonzeption nun lange Zeit Bestand hat.
Die Erfahrung macht einen da jedenfalls nicht optimistisch, denn immer wieder
wird es profilierungssüchtige Prinzipienreiter in Behörden und
Naturschutzverbänden geben, die Sachargumente nicht gelten lassen.
Und damit die Erkenntnis, daß es Nationalparkverwaltung und
einigen fundamentalistischen "Naturschützern" wohl gar nicht wirklich um einen
Schutz der Umwelt im Sinne eines dauerhaft funktionierenden Miteinanders von Mensch
und Umwelt geht.
Die harmloseste Erklärung ist, daß vorgegebene Richtlinien stur durchgesetzt
werden (wie die Diskussion um die Wanderweg-Sperrungen deutlich gezeigt hat).
Und die nächste Richtlinie lauert schon:
Im Rahmen des "Natura-2000-Programms" der EU gibt es beispielsweise Forderungen, die Flächen
mit "absolutem Vorrang des Naturschutzes vor anderen Nutzungsarten" auf 10-15% der
Landesfläche auszudehnen, das wäre in Deutschland das 2-3fache der Fläche
des Freistaates Sachsen ...
Weiterhin findet sich ein Punkt immer mehr bestätigt, der schon mehrfach
angesprochen wurde:
Im Vergleich zu den Maßnahmen und Eingriffen, welche den "Tourismus fördern" sollen
und damit der Geldgier und dem Profitstreben von Besitzenden und Firmen, von Kommunen und Ländern
dienlich sind, ist die eine Kletterseilschaft im Monat im Adlerloch wohl zu vernachlässigen.
Wann endlich wird zum Beispiel etwas gegen den ständig wachsenden kommerziellen
"Abenteuer-Tourismus" getan ??
Auch die Folgen der Konzentration von Freizeitsport auf immer weniger "offizielle"
Punkte sollten nicht außer Acht gelassen werden.
Es ist ein durchsichtiges Manöver, auf die 3 letzten im Lande erlaubten Kletterfelsen
zu zeigen: "Seht Ihr, wie sehr zertrampelt alles wird ...", aber reicht es nicht,
wenn sich die Kletterer in Deutschland das einmal bieten lassen mußten ?
Es ist also wirklich an der Zeit, sich um das mögliche Miteinander
von Nutzungskonzepten solcher Gebiete Gedanken zu machen [4].
Für uns, die Kletterer, Wanderer und Naturfreunde - die wir uns nicht als Gast,
sondern als Teil der Natur verstehen - bleibt nur, die Augen offenzuhalten, die Natur
einerseits wie bisher mit Sorgfalt und Einsicht zu behandeln und uns andererseits gegen jede
weitere offene oder klammheimliche Einschränkung und Aussperrung zu wehren.
Der Protest muß gebündelt und durch alle Vertreter der betroffenen Vereine
lautstark kundgetan werden,
sonst finden wir uns bald in der Situation von Nordrhein-Westfalen wieder, wo der DAV
nur halbherzig und damit erfolglos gegen das faktisch totale Kletterverbot anging.
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Adlerlochturm Direkte Nordwestkante |
Adlerlochturm Nordkamin |
Wichtig ist dabei auch die sachliche Information,
denn allein mit Gerüchten kann man schlecht argumentieren.
Ich möchte hier zum Beipiel die Lektüre der bisherigen Ausgaben des Heftes der
"Sächsischen-Schweiz-Initiative" empfehlen, insbesondere die fundierten Artikel
über Naturschutzkonzepte [4], die Wanderweg-Studie der Bergsportverbände [5],
Beträge und Chronik zum Streit über die Wanderweg-Sperrungen [6]
und die geschichtliche Entwicklung von Wanderwegenetzen am Beispiel des Winterberggebietes [7].
Ich selbst gehe das Risiko, von einem morschen Baum erschlagen zu werden, jedenfalls
bewußt ein.
Egal, ob auf dem breiten Wanderweg zum Kuhstall oder auf einem kaum sichtbaren Pfad in den
Partschenhörnern.
Matthias Mann, 06.01.2002
Literatur:
[1] Peter Rölke, Sächsische-Schweiz-Initiative H.18 (2001), S.7-8
[2] Pressemitteilung der Wander- und Bergsportverbände Sachsens,
Sächsische-Schweiz-Initiative H.18 (2001), S.8
[3] Kristina Rohde, Sächsische-Schweiz-Initiative H.17 (2000), S.34-36
[4] Rolf Böhm, Sächsische-Schweiz-Initiative H.18 (2001), S.11-14
[5] Sächsische-Schweiz-Initiative H.17 (2000), S.5-23
[6] Sächsische-Schweiz-Initiative H.16 (1999), S.3-18
und Sächsische-Schweiz-Initiative H.15 (1998), S.12-22
[7] Rolf Böhm, Sächsische-Schweiz-Initiative H.15 (1998), S.17-22
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