Telezker See

30. Juli

Frühstück bei der Tourbasa

Als wir aufwachen, packen alle Tourbasa-Gäste schon wieder - oder immer noch.
Unser Flug geht erst am nächsten Tag; wir haben Zeit und hatten daher beschlossen, an der Fahrt über den See teilzunehmen.
Dort, wo kurz nach deren Zusammenfluß die beiden Flüsse Tschuliman und Baschkaus in den Telezker See münden, würden unsere Gastgeber an Land gehen. Ebendiese Flüsse waren das Ziel der Kazaner Sportgruppe.

Wie wir erfuhren, existieren auch für die Katamaranfahrten Schwierigkeitsgrade von I bis VI. Da teilweise Familien mit Kindern teilnahmen, war zwar nur eine II geplant, mit selbstgebauten Katamaranen aus Baumstämmen und Kunststoff-Foliensäcken aber sicherlich trotzdem ein Abenteuer ...
Telezker See gegen Artybasch

Um 10:00 Uhr fährt der Dampfer zum anderen Ende des Sees ab. Wir sind an diesem Tag noch mit dabei und werden abends wieder zur Tourbasa zurückkehren.

Der Telezker See gilt als die "Perle des Altai" und ähnelt in vielerlei Hinsicht dem größeren Baikalsee: Auch er hat eine langgestreckte Form, hat mehrere Zuflüsse - darunter den Tschuliman und den Baschkaus - und nur einen Abfluß: die Bija, die nach ihrem Zusammenfluß mit dem Katun zum 3500km langen Ob wird.
Der Telezker See liegt 434m über dem Meeresspiegel, ist etwa 80 km lang, bis 5 km breit und hat eine Fläche von 231 Quadratkilometern. Mit maximal 325m ist er etwa 10x tiefer als die Müritz und ist damit nach dem Baikal der zweittiefste See Sibiriens. Seine fast 40 km3 Wasser sind angeblich so klar, daß man darin über 15m weit sehen kann.
Umgeben von Bergketten, die bis fast 3000m aufragen, können einige Siedlungen an seinem Ufer nur über den Wasserweg erreicht werden. Die nächste Stromleitung war seinerzeit 240km und die nächste Bahnstation 350 km entfernt ... Bären soll es hier geben, eine Unmenge Fischarten im See und über tausend Pflanzenarten.

Wir sitzen trotz tiefhängender Wolken auf dem Deck des Dampfers und diskutieren die Möglichkeiten einer gegenseitigen Benachrichtigung bei einer Weiterführung unserer Tour auf eigene Faust. Es existieren dazu recht wenig Möglichkeiten - ein Telegramm an die Universität Kazan nach unsrer Rückkehr ist das einzig Mögliche, was wir vereinbaren können.


Anlegen am Wasserfall

Kurz nach Mittag gibt es eine Unterbrechung: Der Dampfer hält mit hoher Geschwindigkeit auf das Ufer zu und stoppt gerade so, daß der Bug im Ufersand stecken bleibt. Vorn wird eine Leiter angelegt und alle Reisenden haben die Gelegenheit, sich am Ufer die Beine zu vertreten. Wenige Schritte weiter gibt es eine Sehenswürdigkeit: Ein Wasserfall beachtlicher Größe bildet eine Art Pilgerziel für alle Reisenden. Nach einheimischem Brauch hängen unzählige Stoffetzen an den Ästen der umstehenden Bäume.

Um 15:00 Uhr legen wir am Südende des Telezker Sees an. Unweit befindet sich die Mündung des Tschuliman und eine gleichnamige Touristenstation. Wir verabschieden uns von unseren Gastgebern, natürlich werden Souveniers ausgetauscht. Ich verschenke meine Mütze an Vinera.
Routenplanung

Wir sind nun auf uns allein gestellt. Zumindest haben wir ein "offizielles" Empfehlungschreiben in der Tasche...
Zunächst geht es die ganze Strecke über den See wieder zurück nach Artybasch, das Schiff braucht ohne Pause 4 Stunden. Diesmal verbringen wir die meiste Zeit in der windgeschützten Kabine. Wir wälzen Karten, die eigentlich viel zu ungenau sind - und machen Pläne.
Die Wolken reißen auf und wir erleben den Sonnenuntergang noch auf dem See.

Telezker See im Abendlicht
Der Bergführer von Artybasch holte uns direkt von der Anlegestelle ab. Gemeinsam diskutieren wir mit ihm beim Tee unsere weitere Vorgehensweise und die Erfolgsaussichten für eine eventuelle Besteigung des höchsten Gipfels des Altai - der 4506m hohen Belucha.
Zum ersten Mal bekommen wir einen wirklichen Einblick in die Verhältnisse am Berg - abgesehen von der offensichtlich mehrtägigen Aufstiegsroute von Norden her muß eine mehrere hundert Meter hohe Eisflanke bezwungen werden - wir haben zwar Steigeisen, einzelne Eispickel und ein Seil dabei, für eine derartige Begehung ist unsere Ausrüstung aber völlig unzureichend.
Das Basislager für Versuche am höchsten Berg des Altai von sowjetischer Seite aus ist der Akkemsee - ein Gletschersee in etwas über 2000m Höhe, einige Tagesmärsche vom letzten per Bus erreichbaren Ort entfernt.
Zunächst galt es aber, von unserem nächsten Ziel, der Regionshauptstadt Gorno-Altaisk, weiter in die Berge zu kommen. Im Prinzip fahren Linienbusse, aber ob man da Platz bekommt ...
Der Bergführer gibt uns ein weiteres Schreiben mit - zusammen mit der entsprechenden Adresse soll es dazu dienen, daß man uns in der Regionshauptstadt Gorno-Altaisk im dortigen Büro des "Kontroll- und Rettungsdienstes" (kontrolno-spacatelnuju sluschbu - KCC), also der staatlichen Bergwacht, weiterhilft.
Abends zünden wir erstmals unsere neuen Juwel-Kocher und kochen Tomaten-Tütensuppe - die Stolowaja hatte aus unerfindlichen Gründen geschlossen.

31. Juli
Frühstück in der Tourbasa

Die Nacht in der Tourbasa war etwas laut - im Nachbarverschlag war wieder mal Packen und Diskutieren angesagt.

Wir schliefen trotzdem aus; früh kochen wir Tee und "Kascha", die unvergleichlich typische und gleichzeitig grauenhafte Pudding-Griesbrei-Pampe, um die man bisher bei keiner Fahrt in die Sowjetunion herumgekommen ist. Dazu - säuberlich gerecht verteilt - ein Stück Kastenweißbrot mit einem Ringel Salami.
Operation

Danach war OP-Termin.
Töwi mußte sich freimachen (am Fuß), eine grüne Atomschutz-Plane war die Unterlage.
Das Ziehen der Fäden verlief problemlos, und so stand unseren weiteren Abenteuern eigentlich nichts mehr im Wege.

In Ruhe und mit etwas Kribbeln im Bauch ob des ungewissen Weiterverlaufs packten wir unsere Rucksäcke und begaben uns mit dem üblichem Vorlauf von fast 2 Stunden vor Abflug zum Flughafen von Artybasch ...





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