Ich schlafe unruhig.
Dünnpfiff treibt mich mehrmals aus dem Zelt.
Auf der Wiese grasen Kühe und kommen unseren Zelten manchmal sehr nahe.
Ich stelle mir vor, so ein Vieh stolpert über eine Zeltstrippe und kracht
auf das gute "Fichtelberg" ...
Irgendwann versinke ich dann doch noch in tiefen Schlaf.
Morgens macht unser LKW erst noch einen Abstecher zu einer anderen Touristenstation -
wir haben also Zeit, in Ruhe Kaffee und Puddingsuppe zu kochen.
Auch das Packen der Rucksäcke nahm wie immer Sorgfalt und Zeit in Anspruch,
wollte man wirklich alles hineinbekommen und nicht irgendeinen Beutel mit Resten
in der Hand behalten ...
Ich ärgere mich darüber, meine in Gorno-Altaisk gekaufte Übersichtskarte
nicht mitgenommen zu haben, so grübeln wir nun über einer ungenauen Karte
in riesengroßem Maßstab, wo wir uns eigentlich befinden.
Da wir direkt am Katun zelten, müssen wir noch vor dem Abzweig nach Tscherga
sein - in Anbetracht der noch vor uns liegenen Strecke geht es eigentlich viel zu
langsam voran.
Die Sonne steigt höher und wir warten, daß der KAMAS zurückkommt und
die Fahrt endlich weitergeht.
Auf der Wiese tauchen Pferde auf mit Glocken um den Hals, Kühe sind sowieso
schon da, und auch Schweine erscheinen noch.
Kurz nach Mittag holt uns auch endlich der LKW ab.
Weiter geht es in Richtung Ust-Koksa. Eigentlich sieht auf der Karte die Strecke am Katun entlang
über Inja nach Tjungur viel kürzer aus - erst später erfahren wir, daß
es zwischen Inja und Tjungur keine wirkliche Straße gibt.
Umgehung der Brücke |
In Ust-Kan |
Aber es gibt auch einen Bäcker im Ort, wo wir erstmal zuschlagen !
Pause in der Abendsonne |
Später heißt es wieder aufsitzen und weiter geht es in Richtung der Berge ...
Kurz vor Ust-Koksa suchen wir uns erneut einen Übernachtungsplatz.
Etwas erhöht neben dem Fluß Koksa finden wir eine etwas buckelige Wiese.
Völlig allein in der zunehmend stiller werdenden Nacht kochen wir uns
noch eine Bohnensuppe.
Auf der Wiese liegen einige größere Knochen herum, und mit
zunehmender Dunkelheit kann man sich immer lebhafter vorstellen,
wie aggressive Raubtiere zum Angriff übergehen ...
Auch wenn später darüber gespottet wird:
Diese Nacht lag der Eispickel in Griffweite neben mir im Zelt ...
3. August
Am nächsten Morgen geht es zeitig raus. Ohne vorher zu frühstücken bauen wir die Zelte ab, steigen in unser Gefährt ein und los geht es zunächst einmal Richtung Ust-Koksa. Es ist noch ziemlich neblig.
Unfall |
Plötzlich hält der LKW an, es geht nicht weiter.
Wir hören aus unserer abgedichteten Kabine nur, daß draußen
einige Leute diskutieren.
Irgendwann öffen wir die luftdichte und strahlenschützende Tür
des LKW-Koffers.
Die Ursache für den Stop wird schnell klar:
Quer zur Straße wurde eine neue Rohrleitung verlegt.
Der Kanal dafür von etwa 2x2 Meter Querschnitt war aufgebuddelt und das
neue Beton-Rohr lag schon drin.
Das Hinweisschild "Umleitung" 20 Meter davor war umgefallen und nicht sichtbar.
Nur kurze Zeit vor uns waren offensichtlich zwei Transporter im Nebel einfach
geradeaus gefahren ...
Einer hatte soviel Schwung, daß er erst mit der Hinterachse in den Graben
krachte, der andere fiel seitlich hinein.
Zwei Autos waren Schrott, nur weil die Baustelle nicht abgesichert war -
typisch russisch, war unsere Meinung dazu.
Pause in Ust-Koksa |
Unser Fahrer machte derweil eine Reihe von Erledigungen;
zwei Geologen, die mit uns zusammen die letzten zwei Tage mitgenommen wurden,
verabschiedeten sich und stiegen in einen leichteren LKW, um von unserem Führer
noch zu ihrer Station in ein Seitental begleitet zu werden.
Wir sonnen uns und baden inzwischen am steinigen Strand in der Nähe der Mündung der
Koksa in den Katun.
Ankunft in Tjungur |
Alles wird aus dem LKW ausgeladen; für den Fahrer und den Chef kramen wir ein Päckchen Kaffee aus dem Rucksack.
Chefarzt-Visite |
Über eine große Hängebrücke überqueren wir den Katun.
Auf der anderen Seite gibt es eine große Wiese,
die wie geschaffen scheint als Ausgangsbasis für eine Expedition.
Hier verabschieden wir später unsere beiden Betreuer und bauen unsere Zelte auf.
Dann ist Visite bei unserem Fußpatienten dran,
bei dieser Gelegenheit werden gleich mal alle mitgebrachten Spritzen und Medikamente
aus den Plastesäcken ausgeschüttet und sortiert.
Später kommen wir am Lagerfeuer mit einem Herren ins Gespräch,
der von sich behauptet, dieses ganze Stück Land gekauft zu haben, weil das
Dorf kein Interesse hatte; er hätte jedenfalls vor, hier eine Touristenstation
einzurichten und für jede Nacht einen Rubel zu nehmen.
Wir sind trotz Perestroika skeptisch, auch als es dann um Zerfall der Sowjetunion
und Unabhängigkeit geht ... Im Sommer 1989 war uns trotz des Gefühls
bevorstehenden politischen Wandels in Osteuropa noch nicht klar,
wie schnell sich nur wenige Monate später alles verändern würde.
Am kommenden Tag aber wollten wir erstmal mit schweren Rucksäcken ein Tal hinaufmarschieren, und in Vorahnung der körperlichen Strapazen legen wir uns beizeiten zur Ruhe.
Karte Sowjetunion |
Karte Westsibirien |
Karte Altai |